Übrigens …

The Crash im Oldenburgisches Staatstheater

Money, Money, Money...

Es ist der Beginn der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008. Nach dem Zusammenbruch einer Investment-Bank räumen Agata und Magda, zwei Putzfrauen, das überstürzt verlassene Büro eines Managers auf und finden dabei belastendes Material. Gestört werden sie vom als Möbelpacker getarnten Detektiv Charlie, den dieses Material auch brennend interessiert. Dann taucht in seinem ehemaligen Büro noch der ehemalige Manager Peter auf, dessen rachsüchtige Ex-Frau Jocelyn und der lebensmüde CEO Tom, den die Reinigungskräfte durch Fesseln und Knebeln am Suizid hindern. Nach verbalen Schlagabtausch erpressen Agata, Magda und Charlie einige Millionen von den Finanz-Jongleuren und setzen sich damit ab. Doch wohin mit dem Geld? Es wird flugs in Schrottimmobilien in Florida investiert, die gegen Sturm und Unwetter nicht versichert sind. Dort tauchen auch inkognito Peter und Jocelyn auf, die ein neues Geschäftsmodell entwickelt haben: Sie haben einen Hedge-Fonds entwickelt, der auf die Zerstörung von baulichen Umweltsünden wettet - „Green Washing“ par excellence! Und natürlich ein perfekter Plan, sich für den Verlust des Geldes schadlos zu halten. Als dann noch Tom die Szene betritt, ahnt man, dass das Ende fast da ist. Er ist obdachlos und erinnert in seinem Äußeren an Charlton Hestons mahnenden Moses aus Die zehn Gebote, könnte aber auch Karl Marx sein. Er verkündet den nahenden Sturm. Als der kommt, versucht Agata mit einem Koffer voller Geld über das Meer zu fliehen und ertrinkt - Magda hingegen hat ihr Vermögen in Sicherheit gebracht und bei Peter und Jocelyn investiert. Dann ist das Unwetter vorbei, die Luft gereinigt und das heißt vor allem eines: „Jetzt muss gekauft werden!“. Deshalb improvisieren Tom, Magda und Charlie ein Büro, denn niemand hat auch nur irgendetwas gelernt.

In The Crash, das am Oldenburgischen Staatstheater seine Uraufführung erlebt hat, schaffen Komponist Russell Hepplewhite und Librettist Seth Bockley eine rasante Mischung aus Komödie, Krimi und gesellschaftskritischer Betrachtung der Finanzkrise. Das hat absolut seinen Reiz, wird „dröge“ Ernsthaftigkeit doch durch die quirlige Handlung leichter „verdaulich“ gemacht. Vielleicht ist es insgesamt doch etwas zu viel an Input, der musikalisch verarbeitet und vom Publikum aufgenommen werden muss. Hepplewhite tut sein Bestes, um ein vielfältiges, abwechslungsreiches musikalisches Bett für die Handlung zu bereiten. Und es ist ganz erstaunlich, wie gut ihm das mit neun Instrumentalist*innen gelingt. Ständig scheint alles unermüdlich in Bewegung zu sein. Quicklebendig ist seine Musik, ständig auf dem Sprung. Behände erschafft er eine Klimax nach der nächsten, zitiert Swing und auch ein kleines Lehrstück à la Brecht/Weill fehlt nicht.

Regisseur Nils Braun hat genau hineingehört in die Partitur und lässt der Spielfreude seines Ensembles freien Lauf, tritt nirgends auf die Bremse. Er kostet aber auch die wenigen Ruhemomente voll aus, lenkt etwa alle Aufmerksamkeit auf den Mahner Tom. Ausstatterin Rebekka Bentzen glänzt vor allem mit dem Erschaffen einer kitschig-bonbonbunten, scheinbar paradiesischen Welt in Florida.

Das Ensemble in Oldenburg funkelt in jeder Hinsicht. Alle haben sichtlich großen Spaß am Miteinander und es wird sehr gut gesungen. Ryan Stoll als Charlie lässt stimmlich gewaltig die Muskeln spielen und das nicht nur, wenn er Mafia-Kontakte andeutet. Gabe Clarke vollzieht mit biegsamem, hellem Tenor die Wandlung vom angezählten Banker zum Re-Investor-Strahlemann, während Paola Leoci seine Ex-Frau kräftig bis eisenhart durchsetzungsfähig verkörpert. Paul Brady mahnt gravitätisch, respektheischend als Tom vor dem Untergang. Seine Stimme duldet keine Unaufmerksamkeit bei seinen Worten. Marie-Sophie Janke als Agata lässt ihren Gefühlen freien Lauf. Jugendlich-unbekümmert erzählt sie mit wandlungsfähiger Stimme von Wünschen und Sehnsüchten, die ihr zum Verhängnis werden. Anders Martha Eason als Magda, der es gelingt, stets einen Hauch von Nachdenklichkeit, ja fast Trauer in ihren so glasklaren Sopran zu legen, der auch unglaublich weiche Züge annehmen kann. Alle bringen aber auch den Treibstoff zum Erklingen, der ihnen in The Crash gemeinsam ist: die pure Gier.

Giuseppe Barile und seinen Musiker*innen gelingt die Quadratur des Kreises. Sie verbinden stetigen, quirligen Vorwärtsdrang mit Transparenz und Durchhörbarkeit. Alle Beteiligten werden vom Publikum gefeiert: Krimi und Krise - ein gelungenes Konglomerat.