Übrigens …

Der Theatermacher im Berliner Ensemble

Theaterkanone Stefanie Reinsperger als Theatermacher

Ich muss mich (…) in eine Rolle verlieben,“ sagt Stefanie Reinsperger im Gespräch, das im Programmheft abgedruckt ist. „Das ist bei Bruscon nicht ganz einfach, das gebe ich zu, aber sonst kann ich ihn nicht spielen“. Nun, sie kann diesen von Thomas Bernhard erfundenen Theatermacher spielen und bringt ihn mit enormer Energie und vollem, schonungslosem Einsatz von Körper und Stimme auf die Bretter. Dem Berliner Ensemble beschert sie mit ihrer furiosen Spiellaune einen Theater-Hit.

Bruscon, das ist ein unverschämter, selbstverliebter, rasender und prustender Schauspieler, ein wahrhaftes Ekelpaket. Er hat seine Familie, Frau, Sohn, Tochter, verdonnert mit ihm auf Tournee zu gehen, obwohl er allen dreien mehrfach knallhart versichert, dass sie völlig talentlos seien. Vor allem die Frauen - das ist sein lustvoll vorgetragenes Credo - haben gar keine Ahnung vom Theater und können nicht und nichts spielen. Regisseur Oliver Reese hält dagegen und besetzt die Rolle des alten weißen Mannes jung und weiblich. Stefanie Reinsperger, geboren 1988 in Österreich, verwandelt die Figur großartig in eine Satire auf den Geniekult und alles Macho-Gehabe.

Bei Thomas Bernhard sollte der Spielort der Tanzsaal eines österreichischen Spießer-Gasthofs sein, im Berliner Bühnenbild ist es nur noch ein rumpeliger Abstellraum mit klemmenden Fensteröffnern, Resten vom letzten Darts-Turnier, kaputten Werbeplakaten, einer schäbigen Rampe und einem gemalten Porträt von Adolf Hitler. „Hier soll ich mein Welttheater aufführen?“ zetert Bruscon und hebt damit an zum abschätzigen Gepolter über den Ort Utzbach. Gemeinsam mit diesem 300-Seelen-Dorf bekommt dann auch die Provinz im Allgemeinen ihr Fett weg, dazu das Proletariat, das Theater und sein Publikum und immer wieder seine Frau. Ihr wirft er vor, dass sie ihre ständige Erkältung nur vorgibt, um ihn zu ärgern, seine Kinder bezeichnet er als die größte Enttäuschung seines Lebens. Hin und wieder knickt er ein und sucht bei seinem Nachwuchs Trost und Körpernähe. Dabei zeigt sich die Schauspielkunst der Reinsperger, der es brillant gelingt, diese Figur sowohl in den mitleidlosen als auch weicheren Facetten zu zeigen. Christine Schönfeld als Mutter, Dana Herfurth und Adrian Grünwald als Kinder haben nicht viel zu melden und erhalten in dieser Inszenierung nur wenig Raum. Die wortkarge Figur des Wirts dagegen ist ein Kabinettstück von Wolfgang Michael. Wie dieser Darsteller stoisch, gleichmütig und etwas mitleidig sich die Traktate des Möchte-gern-Genies anhört und hin und wieder ein passendes Wort oder eine Geste dazu beisteuert, das ist auch große Theaterkunst.

Von der Komödie „Das Rad der Geschichte“, die alle Komödien der Theatergeschichte umfassen soll, sehen wir so gut wie nichts. Bruscon steht im Kostüm von Napoleon bereit, die anderen als Metternich, Damen der Gesellschaft oder Stalin und einige mehr. Dann kommt es nicht zur Aufführung. Ein Gewitter mit ordentlich Blitz und Donner zerstört die erhoffte „Gala-Vorstellung“. Im Dorf bricht ein Feuer aus, das Publikum rennt weg und lässt Bruscon und seine Truppe im Regen stehen. Das nimmt Regisseur Oliver Reese zum Anlass für ein stürmisch-feuchtes Schlussbild. Das Donnerblech wird kräftig geschüttelt, Wasser spritzt vom Bühnenhimmel bis das Dach des Spiellokals auseinanderbricht.

Regisseur Oliver Reese hat das 1985 uraufgeführte Stück nicht aktualisiert. Ein scharfer Satz zu Österreich - das ist entweder katholisch und nationalsozialistisch oder nationalsozialistisch und katholisch - wird eher beiläufig zitiert. Es interessiert die Regie eher die kraftvolle, rücksichtslose und komödiantische Schauspielkunst der Stefanie Reinsperger. Und die hat sich erfolgreich in diese Rolle verliebt.